15.10.2017 -> Eröffnungskonzert der Saarlouiser Orgeltage, Pfarrkirche Lisdorf, Hohe Messe in h-moll von J. S. Bach
Bericht der Saarbrücker Zeitung, veröffentlicht am 19.10.2017
Bachs klingendes
künstlerisches Testament:
Eröffnungskonzert der Lisdorfer Orgeltage
mit der Hohen Messe in h-Moll
von Jutta Stamm
Saarlouis. Bereits vor fünf Jahren führte Prof. Georg Grün anlässlich der 25-jährigen Lisdorfer Orgelweihe die h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach in Lisdorf auf. Sowohl das Vokal- als auch das Instrumentalensemble sind dieselben geblieben.
Mit dem ersten wuchtigen Akkord des Kyrie werden die Zuhörer in der voll besetzten Lisdorfer Barockkirche in die Welt tiefer Frömmigkeit entrückt. Überlieferten Quellen zufolge hat Johann Sebastian Bach (1685-1750) die h-Moll-Messe erst in den letzten Lebensjahren zu einer Missa tota, einer Vertonung aller fünf Messteile (Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus mit Hosanna und Benedictus sowie Agnus Dei) vervollständigt. Die Textgrundlage bildet das überzeitliche Missale Romanum, die römisch-katholische Messe. Bach verwendet zwar die traditionelle Messform, aber nur ein Teil der Sätze, mit denen Bach die Dresdner Missa komplettiert, ist vollständig neu komponiert. Die meisten Instrumentalbegleitungen und Vokalsätze gehören zu früheren Kantaten oder Chorälen. Mit ihnen hat er alle ihn ausmachenden kompositorischen Künste zusammenfasst. Die h-Moll-Messe gilt als sein künstlerisches Testament.
Viel mehr als in Bachs Passionen und Kantaten ist der Chor Träger des musikalischen Geschehens, von 28 Einzelstücken sind 19 Chorsätze, sechs Arien und drei Duette – für einen Chor eine immense Herausforderung. Wenige Werke stellen derart hohe Ansprüche an Präzision, Stimmführung, Intonation, Konzentration und nicht zuletzt Kondition, erst recht, wenn ein schnelles Tempo vorgegeben wird: Georg Grün, Dirigent und künstlerischer Leiter des KammerChors Saarbrücken, sorgt für eine eigenwillige, sehr temporeiche Aufführung. Das bringt jedoch zum Teil Einbußen in Dynamik und Artikulation mit sich.
Prachtvoll durchmessen die Bässe den Kosmos im „Sanctus“, klug proportioniert die Steigerung im „Dona nobis“, dessen Schlussakkord jedoch abrupt abreißt. Prägnante Seufzerbewegungen werden durch breiten Legatogesang verschenkt.
Die Solisten, Franziska Bob, Sopran, Marion Eckstein, Alt, Tobias Mäthger, Tenor, und Dietrich Henschel, Bass-Bariton, begeistern mit ihrem Timbre gleichermaßen, wobei sich Eckstein mit ihrer beweglichen Stimme besonders hervortat. Berührend emotional und technisch perfekt gelingt das Duett von Sopran und Alt im Kyrie. Das Orchester spielt und begleitet mit beeindruckender Homogenität und Präzision. Während sowohl das Vorspiel der Traversflöte zum Duett von Sopran und Tenor im Gloria (kein königlicher Wettstreit, sondern ein Gebet) als auch das der beiden Oboen d‘amore zur Bass-Arie im Credo einfühlsam und technisch exzellent gelingt, erscheint das Hornsolo nicht immer intonantionssicher. Dazu verursachen Fagotte ein „erhabenes“ Rauschen, das irritiert, aber wohl dem nicht ganz lupenreinen Klangbild der mittelalterlichen Instrumente geschuldet werden muss. Fantastisch agieren die drei Naturtrompeter des Ensembles „Eliseo“ aus Innsbruck, das zur Weltspitze zählt. Und auch der Mann an der Pauke gibt alles, so dass Choräle festliche Schlusspunkte setzen.
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